Früher war alles besser? Bei manchen Dingen trifft das zu. Doch ist es Vintage oder Retro? Zwischen den beiden Bezeichnungen gibt es einen feinen, aber entscheidenden Unterschied.
Egal ob Mode, Musik oder Einrichtung: Die Labels „Vintage“ und „Retro“ sind zum Trend geworden, der Stil vergangener Tage inspiriert inzwischen viele Menschen. Die Begriffe „Vintage“ und „Retro“ werden dabei meist synonym benutzt. Genaugenommen ist das jedoch nicht richtig. Denn beide Begriffe sind klar zu unterscheiden.
Vintage oder retro: Kein neues Phänomen
Der Trend zum Früher ist kein Phänomen unserer Zeit. Schon zur Zeit der Renaissance (französisch für „Wiedergeburt“) richteten die Menschen ihren Blick zurück. Die Zeit des Umbruchs vom Mittelalter zur Neuzeit ist geprägt von dem Bemühne, die kulturellen Errungenschaften der griechischen und römischen Antike wiederzubeleben.
Im amerikansichen Bürgerkrieg (1861 bis 1865) berichteten Ärzte erstmals von der so genannten Nostalgie. Dabei handlete es sich um ein körperliches Leiden, das durch die Trennung von der Heimat ausgelöst wurde. Diese körperlichen Beschwerden konnte so stark sein, dass Organe und Gehinr versagten. 58 Menschen sollen damals angeblich an der Nostalgie gestorben sein,
Mit der einsetzenden Industrialisierung machte sich im 19. Jahrhundert schließlich eine ausgeprägte „Fortschrittsmüfigkeit“ breit, die etwa im Fin des Siècle kurz vor dem ersten Weltkrieg oder im Expressionismus ihren Ausdruck fand.
Gegenbewegung zur Digitalisierung
Heute gilt der Vintage-Retro-Trend als Gegenbewegung zum immer schnelleren und digitalisierten Leben. Anstelle von Mainstream-Mode global wachsender Textilketten werden ganz bewusst alte oder auf alt gemachte Kleidungsstücke getragen.
In der Psychologie wird Nostalgie als rosige Vergangenheits-Verzerrung beschrieben.So gibt es Studien, die dokumentieren, dass Menschen frühere Ereignisse tatsächlich als positiver bewerten, als diese eigentlich waren. So entsteht ein verzerrtes Bild der Vergangenheit.
Vintage: Alt und edel
Der Begriff Vintage kommt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie „alt“, „klassisch“ oder „aus einer bestimmten Zeit“. Bezeichnet er heute Gebrauchsgegenstände wie Kleidung, Möbel, Schmuck, Accessoires, Bilder, Fahrzeuge oder Musikinstrumente, die alt und gebraucht aussehen, stammt er ursprünglich aus der Weinlese. Dort gilt der älteste Wein als der edelste – wahrscheinlich assoziieren wir mit diesem Wort auch deswegen immer einen Hauch von Luxus.
In der Mode gelten Kollektionen aus den Jahren 1920 bis 1980 als Vintage, das heißt, sie wurden in diesen Jahren hergestellt. Für Möbelstücke gilt ebenfalls: Alles, was zwischen 1920 und 1980 hergestellt wurde, ist Vintage, ältere Möbel Antiquitäten.
Retro: Rückwärts-orientiert
Der Begriff „Retro“ bedeutet „rückwärts“ und lehnt sich an ältere Traditionen oder Merkmale an. Form- oder Farbgebung alter Designs werden aufgegriffen, wurden aber nicht in der Zeit, die sie imitieren, produziert.
Momentan erleben wir modetechnisch einen Retro-Boom: Die 90er Jahre sind wieder da und bringen uns bauchfreie Spaghettitops und die schon damals scheußlichen, unförmigen hüfthohen Jeans zurück. In den 90er Jahren hieß der Retrotrend Schlaghose. Er war aus den 70ern entlehnt.
Vintage-Stil: Der „Used-Look“
Kurz gesagt: Vintage ist alt, Retro ist neu, greift aber alte Designs auf. Der Vintage-Stil hingegen bezieht sich auf den „Used-Look“, der auch neue Gegenstände alt aussehen lässt. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Shabby Chic.
Eine andere Definition, auf die ich beim Schreiben dieses Artikels gestoßen bin, besagt übrigens, dass Vintage alles ist, das älter als 25 Jahre ist. Damit wäre die Mode der 90er nicht mehr Retro, sondern Vintage. Diesen Trash als Vintage zu bezeichnen, bringe ich jedoch wirklich nicht übers Herz.