Vintage Interieur | Foto: Jazmin Quaynor / Unsplash
Vintage Wohnen

Vintage Interieur: Mehr als 50er-Jahre Nostalgie

14. November 2021

Mit einer Vintage-Einrichtung werden vergangene Zeiten im eigenen Zuhause lebendig. Momentan erfreut sich vor allem der Stil der 50er und 60er Jahre großer Beliebtheit. Doch Vintage Interieur kann viel mehr. Wie vielseitig Vintage Wohnen sein kann und von welchen Stilen ihr euch für eurer Vintage Interieur inspirieren lassen könnt, lest ihr hier.

Vintage Interieur: vielseitige Einrichtungsmöglichkeiten 

Nierentisch, großflächige Muster und futuristisch geschwungene Möbel in Ahorn oder Nussbaum – wer an Vintage Interieur denkt, hat sofort ein klassisches 50er-Jahre-Wohnzimmer vor Augen. Doch wer Vintage wohnen möchte, ist nicht auf den Mid-Century-Stil des vergangenen Jahrhunderts beschränkt. Denn den Vintage-Wohnstil nur auf die 50er und 60er Jahre zu begrenzen, wird ihm nicht gerecht. Was Vintage Interieur neben wuchtigen Schrankwänden und geblümten Vorhängen noch alles sein kann, verrate ich euch hier. 

Vintage wohnen: Hauptsache alt 

Der Begriff “Vintage” steht für “altmodisch”, “klassisch” oder “aus einer bestimmten Zeit stammend.” Man könnte auch sagen: alt und gebraucht. Und damit ist er nahezu zeitlos und kann von Retro- über Jugendstil bis zu Shabby Chic und Brocante ganz unterschiedlich und vielfältig interpretiert und kombiniert werden. 

Allgemein gebraucht wird der Begriff allerdings für Dinge, die zwischen 1920 und 1980 entstanden sind. Das können neben Möbel auch Kleidung, Schmuck oder Autos sein. Häufig wird “Vintage” auch als Synonym für “Retro” gebraucht. Doch die Frage “Vintage oder Retro?” lässt sich eigentlich recht klar beantworten:  

  • Ursprünglich bezeichnet Vintage Dinge, die wirklich in der Vergangenheit hergestellt wurden. 
  • Retro hingegen ahmt ein älteres Design nach

Inzwischen hat sich die Definition von Vintage jedoch vereinfacht und wird für Mode und Gegenstände verwendet, die mindestens 20 bis 25 Jahre alt sind. Ist etwas älter als 100 Jahre, wird es als “antik” bezeichnet. Darunter fallen dann vor allem im Interieur beliebte Stilepochen wie Barock (1600–1720), Rokoko (1815-1770) oder Jugendstil (1890-1910). Doch ob nun Retro, Vintage oder antik: Die Idee von Vintage wohnen ist es, sich mit der Schönheit des Vergangenen zu umgeben und diese ganz individuell zu interpretieren. Aus diesem Grund ist Vintage Interieur eben viel mehr als der Retro-Trend, als der der Begriff aktuell vermarktet wird. 

Vintage wohnen: Stilgetreu oder individuell? 

Unter Vintage-Liebhaber*innen ist es gerade im Modebereich ein immer wieder aufkommendes Thema, an dem die Meinungen zum Teil sehr auseinander gehen: Muss man original Vintage gekleidet sein? Oder darf man verschiedene Epochen mixen? Es gibt jene, die den Vintage-Stil derart perfektioniert haben, dass sie nur originale Kleidung der Zeit tragen und genau darauf achten, dass alles so authentisch wie möglich ist. Und es gibt jene, die die Jahrzehnte gerne mixen und Wasserwelle mit Petticoat oder Schlaghose kombinieren. 

Nichts davon ist richtig oder falsch. Denn darin liegen gleich zweierlei Freiheiten: Zum einen die Freiheit, sich keinem Modediktat zu unterwerfen. Zum anderen die Freiheit, seinen ganz eigenen Stil zu entwickeln. Dieses Prinzip gilt auch für die Inneneinrichtung. Ein authentisch eingerichtetes 50er-Jahre-Heim hat einen ebensolchen Reiz wie eine Mischung des Landhausstils mit 50er-Jahre- und Shabby-Chic-Elementen zu einem ganz individuellen Einrichtungsstil. Welche Variante ihr auch bevorzugt: In den Interieurs der Vergangenheit finden sich zahlreiche Inspirationen

Wohnen im Laufe der Geschichte 

Gewohnt wurde schon immer. Und wo gewohnt wurde, da haben Menschen versucht, es sich schön und gemütlich zu machen. Die Voraussetzungen waren dabei abhängig vom sozialen Status sehr unterschiedlich und Möbel und Einrichtungsgegenstände sind heute viel zugänglicher, als sie es noch vor 100, 500 oder gar 1.000 Jahren waren. Dennoch spielen sie in der Geschichte der Menschheit schon lange eine Rolle.  

Die ersten Nachweise

So stammen die ersten Nachweise von Möbeln aus der Pharaonenzeit um 1500 v. Chr. Sie zeigen, dass die Menschen im Alten Ägypten bereits das Handwerk der Möbelherstellung beherrschten und drechseln und furnieren konnten. Auch altgriechische Häuser waren mit Stühlen, Tischen, Hockern, Betten, Truhen und Kommoden ausgestattet. Besonders berühmt ist die Kline, eine Art Bett, auf das sich die alten Römer*innen für normale Mahlzeiten und zu Festgelagen legten. Die Oberschicht besaß in der römischen Kaiserzeit versilberte oder vergoldete Möbel mit Schildpatteinlagen und wertvollen Furnieren wie Citrus. 

Wohnen im Mittelalter: Romanik (800-1200)

Nachvollziehbar ist die Geschichte der Einrichtung seit dem Mittelalter. Im Zeitalter der Romanik zeichnen sich zudem erste Trends ab: massive Pfostenstühle, robuste Hölzer und dunkle Farbtöne sind typisch für diese Zeit. Unterscheiden kann man zwischen mobilen und fest integrierten Möbelstücken. Zu ersteren gehören Truhen, Tische und Stühle. Üblich war es zudem, die Tischplatte von den Böcken zu heben und sie beiseitezustellen. Betten, Schränke, Regale und Bänke wurden hingegen fest mit dem Haus verbunden und in die Wände eingebaut.  

Das bevorzugte Material war Holz: Tanne, Kiefer, Lärche, Esche oder Nuss. Eisenbeschläge stabilisierten Truhen oder Schränke und verzierten sie mit wachsender Bedeutung des Handwerks immer kunstvoller. Die Grundausstattung bildeten Stuhl, Bett und Truhe, das wohl charakteristischste Möbelstück des Mittelalters. 

Wohnen wie in der Romanik: 

  • Typische Merkmale: massive Hölzer und dunkle Töne, Eisenbeschläge und schweres Mobiliar 
  • Charakteristische Einrichtung: Truhen. Ansonsten aus heutiger Sicht sehr einfach mit Bett, Schrank, Bank und Tisch. 

Filigrane Leichtigkeit: die Gotik (1200-1500)

Im Vergleich zur Romanik wirkt der gotische Stil des Spätmittelalters leichter und filigraner. Die Erfindung der Sägemühle im 14. Jahrhundert hatte zur Folge, dass Bretter nun in beliebigen Maßen und Größen zugeschnitten werden konnten. Für Möbelfronten oder Seitenteile konnten so dünnere Holzplatten verwendet werden. Da die Menschen wohlhabender wurden, wurden die Möbel nicht mehr in die Wände eingebaut und eine neue Wohnkultur mit neuen Möbelarten, wie der Doppeltruhe oder der Schubladentruhe entstand. Als erstes Luxusmöbel gilt die Ausstelltruhe. Sie stand auf Stelzen oder einem Tisch und ist der Vorläufer der Anrichte. 

Wohnen wie in der Gotik: 

  • Typische Merkmale: mehr mobile Möbel, dünneres Holz 
  • Charakteristische Einrichtung: immer noch die Truhe: Ausstell-, Schubladen und Doppeltruhe 

Viel Neues: die Renaissance (15. und 16. Jahrhundert)

So wie die Renaissance Wirtschaft, Kunst und Kultur revolutionierte, entstanden im Übergang zur Neuzeit zahlreiche neue Möbelstücke, etwa Kleinmöbel wie Büstenständer und Spiegel mit Stuckrahmen, Sitz- und Tischtruhen, Schreibschränke und Sitzmöbel, etwa Schemel und Faltstühle. Stilistisch orientierte man sich zunächst am spätgotischen Stil, den man dann um Ornamente und Verzierungen ergänzte. 

Wohnen wie in der Renaissance: 

  • Typische Merkmale: spätgotischer Stil mit Verschnörkelungen 
  • Charakteristische Einrichtung: Oval und Medaillon 

Mehr und noch mehr: der Barock (1600-1720)

Der Barock schwelgte in Prunk und Pracht und betonte überdeutlich den ästhetischen Wert des Wohnens. Und nicht nur der Zierrat war opulent: bauchige Formen, die Doppelkommode und eine große Vielfalt an Sesseln und Stühlen sind typisch für den barocken Wohnraum. Dieser setzte vor allem auf Komfort. Die Sitze waren gepolstert und die Stühle mit Stoffen wie Samt, Seide, Gobelin oder Straminstickerei bezogen. Verschlungene Motive, Knorpelwerk genannt, und aufwendige Intarsienarbeiten trugen zum überbordenden Stil dieser Zeit bei. Dieser war natürlich nur der Oberschicht vorbehalten, schließlich war es genau ihre Macht, die dieser Stil symbolisieren sollte. 

Wohnen wie im Barock: 

  • Typische Merkmale: Überbordender Zierrat, bauchige Formen und teure Stoffe 
  • Charakteristische Einrichtung: gepolsterte Stühle, Samt und Seide, Kissen, Troddeln und Accessoires aus Gold und Silber, Kristallglas, Kronleuchter und aufwändige Tapeten 

Opulente Pracht: Gold und jede Menge Zierrat sind typisch für barockes Wohnen. | Foto: João Gustavo / Pexels

Barocke Spielart: das Rokoko (1720-1770)

Das Rokoko ist zierlicher und graziöser als der Barock, die Formen sind noch runder, gebogener und gewölbter. Beliebte Ornamente waren Blumengirlanden und Blattranken, charakteristische Motive waren Vasen, Fächer und Muschel; die Muschel gilt auch als Symbol der Epoche. Außerdem wuchs das Bewusstsein für das Zusammenspiel von Möbeln und Räumen. So stimmte man sie aufeinander ab und bemalte Wände und Decken passend zum Mobiliar sehr üppig. Aber auch die Bequemlichkeit bekam einen neuen Stellenwert und waren nun das entscheidende Kriterium, das ein Möbelstück zu erfüllen hatte. 

Wohnen wie im Rokoko: 

  • Typische Merkmale: verspielt, feminin und filigran 
  • Charakteristische Einrichtung: Rocaillen (namensgebendes Ornamentengebilde des Rokokos), Chinoiserie (Orientierung an chinesischen oder ostasiatischen Vorbildern), Blumenmuster, die Muschel, Fächer  

Zurück zur Einfachheit: der Klassizismus (1770-1820)

Nach dem überladenen Pomp von Barock und Rokoko besann man sich in der Folge auf die Einfachheit der Antike. Diese Rückbesinnung war typisch für diese Zeit und ist mit der Weimarer Klassik (1786-1832) beispielsweise auch in der Literatur zu finden. Die Ausschweifungen der Vorgängerepochen wurden als verwerflich abgelehnt. Antike Elemente galten als Ideal. Dazu gehörten zum Beispiel Perlstäbe, Delfine, Nixen, Löwen oder Sphinxen. Das bevorzugte Material war Mahagoni, das meist weiß gestrichen und teilweise vergoldet wurde. Schnitzereien waren zurückhaltend, die Form der Möbel geradlinig. 

Wohnen wie im Klassizismus: 

  • Typische Merkmale: antike Elemente und Motive, klare Formen 
  • Charakteristische Einrichtung: Marmor, Samt, Seide, Motive wie Löwen, Centauren, Delphine, Schwäne, Lorbeerkränze, Palmwedel, Blätter und Sphinxe

Gut bürgerlich: der Biedermeier (1815 und 1860)

Der in der Zeit des Biedermeier betriebene Rückzug ins Heimische förderte eine neue Form der Heimeligkeit. Ihr Mittelpunkt war das wuchtige, tief gepolsterte Sofa. Weitere beliebte Möbel und Accessoires waren zum Beispiel der Sekretär, das Nähtischchen, ein bestickter Ofenschirm – und die Topfpflanze. Viele Stilelemente kennen wir noch heute als “bieder”: Blümchentapeten und –muster, das Sammeln und Ausstellen von Glas und Porzellan oder bestickte Tisch- und Bettdecken. 

Wohnen wie im Biedermeier: 

  • Typische Merkmale: schnörkellos und geradlinig 
  • Charakteristische Einrichtung: Blumenmuster, Glas und Porzellan, Kirschholz, Topfpflanzen 

Retrotrend: der Historismus (1850-1900)

Retro und Vintage sind keine Trends unserer Zeit. In Mode, Architektur oder Interieur findet immer wieder ein Rückgriff auf vergangene Stile statt. So auch im Historismus. Die anfangs aufgeworfene Frage nach Authentizität stellte er nicht. Stattdessen setze er auf einen Mix aus ägyptischem, antikem, orientalischem, chinesischem und japanischem Stil und zitierte historische Formen und Materialien. In Deutschland sorgte das seit der Gründung des Deutschen Reichs im Jahr 1871 gestärkte Nationalgefühl für eine Wiederbelebung des als “altdeutsch” begriffenen Barock, Rokoko und Biedermeier. 

Wohnen wie im Historismus: 

  • Typische Merkmale: Mix verschiedener historischer Stile 
  • Charakteristische Einrichtung: Elemente aus Barock, Rokoko und Biedermeier 

In Anlehnung an die Natur: der Jugendstil (1890-1910)

Anders als der Historismus wollte der Jugendstil, auch Art Nouveau genannt, einen neuen Stil entwickeln. Dieser war geprägt von fließenden Linien und asymmetrischen Muster mit floralen Ornamenten interpretierten die natürlichen Formen der Tier- und Pflanzenwelt. Die massiven Möbel mit kunstvollen Holzschnitzereien sollten den Naturlook vervollständigen. Dazu passte auch die gedeckte Farbgebung:  Olive, Braun, Creme oder Senfgelb sollten eine entspannende Wirkung haben, kräftigere Farben wie Pfauenblau oder Gold setzten Akzente. Typisch für den Jugendstil ist zudem das lackierte Holz.  

Wohnen wie im Jugendstil: 

  • Typische Merkmale: massive Möbel und aufwendige Holzschnitzereien 
  • Charakteristische Einrichtung: Florale Ornamente und Motive, gedeckte Farben wie Braun, Olive oder Senfgelb, kräftige Farben als Akzente, lackiertes Holz 

Das typische Vintage Interieur: Art Déco und Mid-Century-Stil 

Wenn wir uns an der eingangs erläuterten Definition orientieren, dass die Bezeichnung Vintage die Stile von 1920 bis 1980 umfasst, beginnt nach dem Jugendstil das, was derzeit als Vintage Interieur vermarktet wird. Zwar sind vor allem Elemente des Barocks und des Jugendstils immer wieder in Einrichtungen zu finden, so sind es vor allem diese Vintage-Stile, die auch im modernen Interieur immer wieder aufgegriffen und zitiert werden.  

Schlicht und zeitlos: der Bauhausstil (1920-1940)

Schlicht, zweckdienlich und zeitlos ist der bis heute beliebte Bauhaus-Stil. Er entwickelte sich gegen Ende der Jugendstil-Epoche und stellte Form und Ästhetik in den Dienst der Funktion – „form follows function“ war sein Motto. Entsprechend klar und geometrisch sind Linien und Muster. Was als Experiment an der gleichnamigen Hochschule begann, ist heute einer der einflussreichsten Stilrichtungen Deutschlands, die mit kühler Sachlichkeit mit der Opulenz des 19. Jahrhunderts brach und eine minimalistische Moderne schuf. In ihr verwirklichte der Architekt und Begründer Walter Gropius die Idee eines Objekts, das funktional und für alle zugänglich, gleichzeitig aber ästhetisch sein kann. 

Wohnen im Bauhaus-Stil: 

  • Typische Merkmale: geradlinig, kühl und geometrisch 
  • Charakteristische Einrichtung: Möbel aus Stahlrohr, wenig Farbe, keine Mischfarben, Freischwingerstuhl 

Lebenslust und Opulenz: Art Déco (1920- 1938)

Die kühle Sachlichkeit des Bauhausstils passte nicht zum lebenshungrigen und ausschweifenden Lebensgefühl der 1920er Jahre. Mit der Art Déco kamen Opulenz und Extravaganz in die Einrichtung zurück. Starke Farben standen für Vitalität, prunkvolle Accessoires sollten den Menschen nach den traumatischen Erfahrungen des Ersten Weltkrieges in ein anderes, besseres Leben begleiten. Die Bezeichnung Art Déco leitet sich von dem französischen Begriff “arts décoratifs” ab, was als “dekorative Künste” übersetzt werden kann. Und genau darum ging es dem Stil auch, der sich am Jugendstil orientierte und für den üppige Formen, strahlende Materialien und symmetrische Eleganz typisch sind. Die leuchtenden Farben wurden mit Chrome- oder Goldeffekten kombiniert, was einen imposanten Eindruck kreierte. Es sollte dramatisch und glamourös sein. Mit dem Zweiten Weltkrieg endete der Art Déco, heute erfreut er sich aber wieder großer Beliebtheit. 

Wohnen wie im Art Déco: 

  • Typische Merkmale: opulent, glamourös und dramatisch 
  • Charakteristische Einrichtung: edle Materialien wie Marmor, Mahagoni oder Ebenholz; glänzende, glattpolierte Oberflächen, Dekore in kräftigen Farben, geschwungene oder grafische Elemente in Gold, Barwagen, opulente Spiegel, Samt 

Retromania: der Mid-Century-Stil (1949 –1969)

Er gilt momentan als Inbegriff des Vintage Interieurs: der Mid-Century-Stil. Die Einrichtung der 50er und 60er Jahre war geprägt von dem Wunsch nach Beständigkeit. Auch deswegen finden sich bei Großeltern oder Eltern bis heute noch der Buffetschrank aus den 50ern oder Schrankwand aus den 60ern. Möbel wurden auf Lebenszeit angeschafft, sie waren wuchtig und massiv. Das bonbonfarbene Bild der 50er mit seinen geschwungenen, fast schon futuristisch anmutenden Möbeln war in Deutschland eher wenig verbreitet. Die Menschen bevorzugten, was sie schon kannten. Solide und gut bürgerlich sollte es sein.  

Der Entwurf der modernen 50er Jahre mit filigranen Ohrensesseln, halbhohen Schränken und ein geräumiger Essbereich war eher in Amerika und Nordeuropa populär. In den 60ern setzte sich diese zeitlose Eleganz mit gedeckten Farben und puristischen Formen fort. Ab Mitte der 60er machten sich parallel zum schlichten, skandinavischen Design die Einflüsse der Pop-Art-Ära bemerkbar und es wurde knalliger und spaciger. Extravagante Formen und neuartige Materialien wie Kunst- und Schaumstoff trugen zu einer neuen Ästhetik bei. Sie fand ihren Höhepunkt in den 70er Jahren, wo es nicht schrill und bunt genug sein konnte. 

Wohnen im Mid-Century-Stil: 

  • Typische Merkmale: erst massiv und wuchtig, dann skandinavischer und minimalistischer oder bunt und futuristisch 
  • Charakteristische Einrichtung: Ball Chair, Flowerpot-Hängeleuchte, Panton Chair, Nierentisch, Buffetschrank, Holz, später futuristischere Formen und knalligere Farben

Weitere Einrichtungsideen fürs Vintage Interieur 

Abgesehen davon, dass ihr euch beim Einrichten natürlich an einer bestimmten Epoche orientieren könnt, gibt es auch Einrichtungsstile, die nicht auf eine bestimmte Zeit festgelegt sind, aber dennoch Vintage sind. Drei davon – Landhausstil, Shabby Chic und Brocante – möchte ich euch hier vorstellen. 

Der Landhausstil

Der Landhausstil bezieht sich nicht etwa auf das Wohnen im alten Bauernhaus. Trotz der Verwendung massiver Hölzer wie Eiche, Erle oder Kiefer wirkt er hell und freundlich. Das liegt zum einen an seiner Farbgebung: weiß, crème und helles Holz. Sein Ziel ist es, Gemütlichkeit zu schaffen. Dabei setzt er auf natürliche Materialien wie Leinen, Ton oder Keramik. Accessoires in Pastellfarben lassen sich gut zum Landhausstil kombinieren. Verzierungen sind zurückhaltend, der Landhausstil ist liebevoll, aber nicht zu verspielt, schlicht, aber nicht schmucklos und robust, ohne klobig zu wirken. 

Shabby Chic

Dem Landhausstil ähnlich, aber viel verspielter ist der Shabby Chic. Er entwickelte sich in den 1980er Jahren in Anlehnung an die Einrichtung großer englischer Landsitze. Sein charakteristisches Merkmal sind die (mittlerweile auch künstlich) herbeigeführten Gebrauchsspuren. Passend dazu dominieren antik wirkende Weißtöne, die mit matten Pastell-, leichten Grautönen oder Beige kombiniert werden. Neben Verwendung natürlicher Materialien wie Holz, Leinen oder altes Leder werden alte Gebrauchsgegenstände wie Bücher, Backformen oder Kleidungsstücke als Dekoelemente genutzt. Dabei orientiert sich der Shabby Chic an den verspielten Mustern und Motiven aus verschiedenen Epochen wie Barock, Rokoko oder Jugendstil, kombiniert aber auch Elemente aus dem Art Déco miteinander. Da er gebraucht und alt wirken will, bietet er zudem viel Platz zum Umgestalten von Möbeln und andere DIY-Projekte. 


Romantisch und voller Patina: der Shabby Chic. | Foto: Weber

Brocante

Der Brocante-Stil setzt wie der Chabby Chic auf Gebrauchsspuren und Patina, nur alles etwas opulenter und ausladender. Möbel und Gegenstände erzählen hier eine Geschichte. Rüschen, Spitzen, Borden und Bänder werden besonders häufig verwendet, alles ist noch verspielter als im Shabby Chic und wirkt sehr französisch. Der Brocante-Stil hält sich nicht zurück, es darf gerne voll und überladen aussehen. 

Tipps: So findet ihr Vintage Interieur 

Nach all dem Input stellt sich nun die Frage: Wie kommt der Vintage-Stil in meine vier Wände? Je nachdem, wie ihr euch eure Einrichtung vorstellt, geht das nicht von heute auf morgen, denn alte Möbel kosten Geld, die Umgestaltung von gebrauchten Gegenständen unter Umständen Zeit und Platz. Aber ihr müsst ja nicht direkt eure ganze Wohnung umgestalten oder euer Haus renovieren. Vieles entwickelt sich nach und nach, aus einer anfänglichen Idee komplettiert sich über die Jahre der eigene Wohnstil. Und auch, wenn man manchmal am liebsten alles sofort so haben möchte, wie man es sich vorstellt: Es macht auch Spaß, der Entwicklung des eigenen Stils Raum zu geben und sich immer wieder über ein neues Teil zu freuen. Und wer sich gar nicht auf einen bestimmten Stil festlegen möchte oder die Vintage-Wohnstile nur als Inspiration nutzen möchte, kann schon mit wenig Aufwand etwas Vintage-Flair in sein Zuhause bringen. 

1. Flohmärkte besuchen

Es ist der Standard-Tipp: Wer alte Schätze finden möchte, sollte Flohmärkte besuchen. Hier finden sich nicht nur echte Originale aus den 50er oder 60er Jahren. Auch gibt es hier Möbel oder Accessoires, die sich mit ein bisschen Arbeit umgestalten lassen. Je nach Flohmarkt ist aber auch hier etwas Geduld gefragt. Nicht jeder Flohmarktgang ist automatisch erfolgreich. Stöbern aber kann sich lohnen.

2. Selbermachen

Und damit sind wir schon beim zweiten Tipp: Selbermachen. Vielleicht steht bei euch zuhause noch ein Schrank, den ihr nicht mehr mögt, der mit dem richtigen Anstrich (z.B. Kreidefarbe für den Shabby-Look) ganz anders aussehen würde. Oder ihr gestaltet Omas alten Bauernschrank um. Möglich ist vieles und wer sich handwerklich nicht sicher ist, findet zahlreiche Ideen und Anleitungen im Internet. 

3. Umdekorieren

Manchmal müssen es gar nicht die ganz großen Veränderungen sein. Wenn ihr nicht direkt eure Möbel umlackieren oder verkaufen wollt, tun es oft schon die passenden Dekoelemente wie Vasen oder Kerzenständer. Eine barocke Vase kann in einem sonst eher zurückhaltend eingerichteten Raum zu einem absoluten Hingucker werden. 

4. Farbveränderung

Etwas aufwendiger, aber sehr wirkungsvoll: Farbe. An Wänden oder Möbeln verleiht sie Räumlichkeiten einen ganz neuen Charakter. Auch eine besondere Tapete verwandelt die Atmosphäre und bringt so Vintage-Feeling, ohne dass eine komplett neue Einrichtung her muss. 

5. Lasst euch inspirieren

Wenn ihr jetzt Lust habt, euer Zuhause etwas mehr Vintage zu gestalten, aber keine Idee habt, wie ihr anfangen sollt: Sucht euch Inspirationen. Die gibt es zuhauf in Wohnzeitschriften und im Internet. Probiert euch aus. Und habt Geduld. Nicht alles ist sofort so, wie ihr es euch vorstellt. Und perfekt muss es sowieso nicht sein. Denn mit dem Wohnen ist es wie mit dem Vintage Interieur: Es ist lebendig und verändert sich. 

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