Das bin ich: Das Mädchen von früher

Ich war irgendwie schon immer von gestern.
Während andere in die Disco gingen, träumte ich von rauschenden Bällen im Kerzenschein, mit prachtvollen Kleidern, deren ausladende Röcke im Takt der Musik raschelten. Nicht wenige Freitagabende verbrachte ich damit, all die schönen Ballkleider zu entwerfen, die ich zu solchen Anlässen tragen würde (es waren wirklich viele! :D).

Ich erinnere mich an einen Besuch im Schloss Herrenchiemsee, einst von Ludwig II. von Bayern nach dem Vorbild Versailles erbaut und nie vollendet. Wir gingen durch diese prachtvollen Räume und ich, völlig verzückt von all den liebevollen Details, sah mich vor meinem geistigen Auge schon in wallenden Röcken die langen Fluren entlangschreiten, als jemand sagte: „Also leben könnte ich hier nicht.“ Bestätigendes Nicken der Reisegruppe. Nur ich dachte: „Ich schon. Ich könnte hier leben. Ich will hier leben.“

Ich war eben schon immer aus der Zeit gefallen und, getrieben von dem Gefühl, in dieser Welt verloren zu gehen, auf der Suche nach mir selbst. Gefunden habe ich das Mädchen von früher, das das Alte und Vergangene liebt und sich sehnsuchtsvoll in vergangene Epochen hineinträumt.

Natürlich ist das eine hoffnungslose Romantisierung. Früher war nicht alles besser. Ich möchte weder in den 30er oder 40er Jahren in Deutschland leben noch unter dem Frauenbild der 50er leiden. Und auf die vielen Annehmlichkeiten unserer Zeit möchte ich selbstverständlich auch nicht verzichten (sonst könnte ich zum Beispiel gar nicht diesen Blog betreiben und meine Vintage-Leidenschaft mit euch teilen).

Vintageliebe ist, wie wohl jede Liebe, immer eine Romantisierung. Man pickt sich die schönen Dinge einer Zeit, wie Mode oder Musik, heraus und schwärmt von einem vergangenen Zauber, den die Menschen selbst damals wahrscheinlich gar nicht gespürt haben. Vintageliebe ist romantisierend und verklärend. Echte Vintageliebe bedeutet aber auch, sich dessen bewusst zu sein. Es bedeutet, zu wissen, in welchem Kontext Mode entstanden ist, was die historischen Hintergründe eines Jahrzehnts waren und dass die modischen Ideale schon damals nur die Realität auf Zeitschriftencover und in Werbefilmen waren. Vintageliebe ist Faszination und Schwärmerei, aber auch eine Auseinandersetzung mir der Geschichte. Nur weil ich das Styling der 50er liebe, teile ich nicht die Werte dieser Zeit. Auch das soll Thema auf diesem Blog sein.

Es soll hier aber auch noch um etwas anderes gehen. Der Name „Das Mädchen von früher“ hat noch eine weitere Bedeutung, die neben meiner Liebe zu allem Alten, Vergangenen und Schönen meine zweite große Leidenschaft zum Ausdruck bringt: meine Begeisterung für Musicals.

„Das Mädchen von früher“ – die Kenner unter euch werden es erkannt haben – ist die deutsche Version von „Where’s the girl“, meinem Lieblingslied aus dem Musical The Scarlet Pimpernel von Frank Wildhorn. Und ich finde, die Themen Musicals und Vintage passen sehr gut zusammen, denn die Bühne ist ein Ort, dem ebenfalls ein besonderer Zauber innewohnt, ein Ort, der zum Träumen einlädt, an dem alles möglich ist und an dem man sein kann, wer immer man sein möchte. Und ich denke, das ist in unserer schnelllebigen und oft oberflächlichen Welt das Wichtigste – und ein Privileg, das die Mädchen von früher nicht hatten: zu sein, wer du sein möchtest.

Ich freue mich, wenn ihr mich auf meiner Reise in die Vergangenheit begleitet und wünsche euch viel Spaß im Früher.

Eure Elena