Shabby Chic | Foto: Weber
Vintage Wohnen

Shabby chic: Trotz Armut edel

9. August 2018

Abgeblätterter Lack, Kratzer und Patina: Der Shabby Chic ist ein Einrichtungsstil mit Schönheitsfehlern. Nostalgisch und romantisch ist er alles andere als schäbig.

Der Shabby Chic entstand in den 1980er Jahren in Anlehnung an die Einrichtung großer, alter Landsitze der Gentry, dem englischen Landadel. Zunächst waren es gebrauchte Möbelstücke, die als eine nichtkommerzielle Alternative zu den kostspieligen Inneneinrichtungen im viktorianischen Stil der oberen Mittelklasse verwendet wurden. Bald kamen Kleinmöbel, Accessoires und Dekoartikel hinzu. Ihr charakteristisches Merkmal waren anfangs noch natürliche, später auch künstlich herbeigeführte Gebrauchsspuren.

Da die Stücke, die meist aus Flohmärkten oder Nachlässen stammten, in den stilistischen Anfängen des Shabby Chic lediglich gereinigt, nicht aber weiter aufbereitet wurden, waren sie tatsächlich „abgenutzt“. Dieser Begriff gehört neben „schäbig“ und „heruntergekommen“ zu den gängigen Definitionen dieses Stils. Ihn jedoch allein darauf zu beschränken, wird diesem Wohnstil nicht gerecht. Vielmehr ist dieser Stil vornehm trotz Armut und steht für eine veraltete, verblichene Eleganz, einen lieblichen Charakter sowie den Glanz vergangener Zeiten.

Shabby Chic: Nostalgische Anmut

Inzwischen steht hinter dem Begriff „Shabby Chic“ eine gewaltige Marketingindustrie, die den Stil in den vergangenen Jahren kommerzialisiert hat. Auch, weil das Thema Vintage zum Trend geworden ist. Anbieter dehnen das, was als „shabby“ gilt, immer weiter aus – vieles, was als shabby angepriesen wird, hat mit dem ursprünglichen Einrichtungsstil aus dem England der 80er Jahre nichts mehr zu tun.

Dennoch gilt: Shabby Chic ist der Ausdruck für Einrichtungsgegenstände mit nostalgischer Anmutung. Diese kann echt, also well antik, oder auch gezielt herbeigeführt sein. Was aber macht diesen Einrichtungsstil aus? Typische Merkmale sind Gebrauchsspuren, historische Farbkombinationen und Stile sowie nostalgische Motive.

Zart und weiß

Teegedeck im Shabby Chic
Typische Farbwelt des Shabby Chic: Weiß in Kombination mit Pastelltönen. | Foto: Weber

Ursprünglich spielten Farben im Shabby Chic keine Rolle. Die Möbelstücke wurden so in die Einrichtung integriert, wie sie geerbt oder erworben wurden. In den 1990er Jahren begann man mit der zunehmenden Lackierung der alten Stücke. Neben zarten Pastelltönen wurden damals durchaus auch knallige Farben verwendet – für das heutige Verständnis von Shabby Chic eher ungewöhnlich.

Heute ist der Shabby Chic vor allem weiß. Insbesondere antik wirkende Altweißtöne machen den nostalgischen Stil aus. Seine Zartheit bekommt er durch feine, überwiegend matte Farben in Pastell. Pudrige Töne wie Rosé, Türkis, Babyblau oder ein helles Gelb werden mit leichten Grautönen, Beige oder Altweiß kombiniert und durch schimmernde Accessoires wie silberne Vasen oder Kristallleuchter veredelt. Auch ein stumpfes Gold lässt sich stilvoll in diese Farbwelt integrieren. Hortensien, Pfingstrosen und Fliederblüten verleihen dem Stil zusätzlichen Charme.

Shabby chic: Natürlich gemütlich

Beim Shabby Chic werden in erster Linie natürliche Materialien verwendet. So trifft gekalktes Holz auf in die Jahre gekommenes Leder oder Leinen. Samt, Seide oder Baumwolle gehören ebenso dazu wie Handwerk und Selbstgemachtes. Spitze, Strick und Gehäkeltes sind daher ein Muss.

Wichtig ist beim Shabby Chic vor allem eines: Er soll gemütlich und wohnlich sein. Dabei geht es um die Liebe zum Detail und die Schönheit des Unvollkommenen. Deshalb lassen sich auch Einzelstücke aus Kunststoff, Tüll oder Metall  einfach mit Naturmaterialien mixen und in den Shabby Look integrieren.

Das Schönste aus verschiedenen Epochen

Nostalgisch, romantisch, feminin – der Shabby Chic orientiert sich an verspielten Mustern und Motiven verschiedener Epochen: Jugendstil, Barock und Rokoko, aber auch Motive der goldenen 20er Jahre des letzten Jahrhunderts können beliebig miteinander kombiniert werden. Besonders typisch sind florale Elemente, ebenso alte Handschriften oder Damenporträts oder –silhouetten sowie Kronen, stilisierte Lilien oder Schmuckformen.


Shabby Chic in weiß und rosé.
Alte Gegenstände werden zu nostalgischem Dekomaterial. | Foto: Pixel2013/Pixabay

Selbstgemacht mit Fantasie

Seinen zusätzlichen Reiz erhält der Shabby Chic dadurch, dass man ihn relativ leicht selber machen kann und er zu DIY-Projekten einlädt. Mit Kalk- oder Kreidefarbe sowie Schleifpapier oder Schleifgerät lassen sich Möbel shabby gestalten, Deko mit Spitzenborten, Kordeln oder Blumen lässt sich noch schneller in Eigenkreation herstellen.

Auch das Thema Upcycling nimmt einen großen Stellenwert ein. So kann aus einem alten Koffer beispielsweise ein Regal oder aus einer alten Backform eine Blumenvase werden. Der Fantasie sind dabei keinen Grenzen gesetzt. Denn ebenso typisch für den Shabby Chic ist: Es gibt kein richtig oder falsch. Und das ist neben seinem nostalgischen Flair das Spannende an diesem Stil.