Hörspielkassetten
Vintage Lebensart

Hörspielkassetten: Zurückgespult in die Kindheit

14. März 2021

Hörspielkassetten sind mehr als ein Retro-Aufdruck auf Umhängetaschen oder Handyhüllen. Sie haben einen hohen Nostalgiefaktor und geben uns ein wenig das Lebensgefühl unserer Kindheit zurück. Darüber hinaus versinnbildlicht die gute alte MC die Abkehr von der hektischen Masse und steht für Rückzug und Entschleunigung.

Man stößt beim Googlen wirklich auf interessante Dinge. Gibt man in der Suchmaschine beispielsweise die Begriffe „Kassette hören“ ein, gelangt man recht schnell auf ein bekanntes Ratgeberportal, auf dem folgende Frage zu lesen ist: „Welche Seite einer Kassette muss man nach innen legen, wenn man sie von Anfang an hören will?“ Mal davon abgesehen, dass das eigentlich schneller ausprobiert als eingetippt ist, bringt einen diese Frage zum Schmunzeln.

Ich würde zwar davon ausgehen, dass die Beschriftung „Seite A“ und Seite B“ auch für die Generationen, die ohne Hörspielkassetten aufgewachsen sind, selbsterklärend ist, aber vielleicht erscheint mir das als Kind der 80er Jahre auch schlicht zu selbstverständlich. Denn klar: Die Kassette ist heutzutage antiquiert, wer sie nicht mehr miterlebt hat, weiß wahrscheinlich nichts mit ihr anzufangen. Unabhängig von dem Kultstatus, den sie auf Grund des 80er-Trends aktuell genießt, ist sie für viele aber auch ein liebgewonnenes Relikt aus Kindheitstagen, das trotz oder gerade wegen der immer schneller voranschreitenden Digitalisierung nichts von seinem Reiz verloren hat.

Hörspielkassetten: Nostalgische Einschlafhilfen

Vorab gesagt: Hier geht es um Hörspielkassetten. Musikkassetten fand ich schon früher unpraktisch, und auch wenn das Zusammenstellen eigener Musiktapes wirklich Spaß gemacht hat, hat es doch genervt, dass man immer wieder spulen musste, wenn man ein Lied mehrfach hören wollte.

Viele Hörspiele, die wir aus Kindertagen kennen – seien es Benjamin Blümchen, Bibi Blocksberg oder TKKG – bekommen erst richtig Charme, wenn man sie in einen Kassettenrekorder einlegt. Allein das gleichmäßige Tackern und dezente Rauschen des Rekorders hat etwas derart Entspannendes, dass es mich augenblicklich in den Entspannungsmodus versetzt.

Verkauft, um sie wieder zu kaufen

Bis ich zwölf war, habe ich zum Einschlafen immer Kassetten gehört. Dann, in einem Anfall von „Dafür bin ich zu alt“, habe ich meine Bibi- und Benjamin-Kassetten verkauft. Viele andere Kassetten, beispielsweise meine TKKG-, Fünf-Freunde- oder Märchenkassetten, habe ich jedoch behalten, ganz so, als hätte mein Unterbewusstsein schon damals geahnt, dass die kassettenlose Zeit nur eine Phase sein würde.

Und tatsächlich. Einige Jahre später kaufte ich mir aus Jux eine TKKG-Kassette – und schwupps waren Kassetten wieder ein absolutes Muss. Ich ärgerte mich, dass ich einige Kassetten verkauft hatte und begann mit einer Freundin bei Ebay zu stöbern – und kaufte mir so nach und nach alle Hörspiele, die ich einmal gehabt hatte (natürlich nur in der Rotrückenversion).

Original verpackt mit DM-Preis

Dabei blieb es nicht. Inzwischen gehe ich auf Flohmärkten auf Kassettenjagd und habe von jeder Reihe Listen, damit ich bei inzwischen über 400 Hörspielkassetten den Überblick behalte.

Ein besonderen Schatz entdeckte jüngst eine Freundin: Sie schenkte mir noch original in Folie verpackte, mit DM-Preis etikettierte TKKG-Kassetten. Mehr Nostalgie geht nicht!

Hörspiele: Früher war alles besser

Was aber macht eigentlich den Reiz an Kassetten aus? Vielleicht können das nur die Leute meiner Generation nachvollziehen, aber das Hörerlebnis ist einfach ein anderes. Und die Erinnerung an früher, wenn man abends im Bett lag und rief „Mama, komm die Kassette umdrehen“ fehlt bei CD oder MP3 eben.

Ein weiterer wichtiger Punkt: Die Geschichten damals waren einfach liebevoller und durchdachter als heute. Vergleicht einfach mal eine der frühen Bibi Blocksberg-Folgen mit den neuen und ihr werdet feststellen, dass die Handlung heute sehr viel banaler und durchschaubarer geworden ist. Auch die neuen Stimmen kommen – und das ist nicht nur eine Frage der Gewohnheit – von der Qualität oft nicht an die alten heran. Und von den furchtbaren neuen Titelliedern bei Bibi Blocksberg oder Wendy reden wir besser ebenso wenig wie über die lieblosen neuen Covergestaltungen.

Mehr als Nostalgie

Der Grund, warum Hörspielkassetten bei vielen noch immer beliebt sind und selbst Musikkassetten inzwischen ihr Comeback gefeiert haben, liegt nicht nur an ihrem hohen Nostalgiefaktor oder dem Retrotrend. Kassette zu hören ist auch eine Art Gegenbewegung zum Flatrate-Medienkonsum der heutigen Zeit. Denn eine Kassette in den Rekorder zu schieben ist eben irgendwie anders, als sich eine MP3 aus dem Netz runterzuladen. Es ist, als würde man die Stopp-Taste drücken und sich eine Auszeit von unserer hektischen Welt nehmen.

Was nicht bedeutet, dass ich die digitale Form des Hörens verteufeln möchte. Ganz im Gegenteil, für Kassettenliebhaber wie mich ist sie umso wichtiger, schließlich haben Kassetten mit 30 bis 40 Jahren nur eine begrenzte Lebensdauer. Und alles, was nicht Die drei ???, Bibi oder Benjamin heißt, wird es nicht mehr geben, wenn man es nicht digitalisiert. Manche Hörspielkassetten sind schon jetzt kaum oder gar nicht mehr zu bekommen.

Kassetten digitalisieren

Kassetten zu digitalisieren ist übrigens nicht schwer: Am einfachsten funktioniert das mit einem Kassettendigitalisierer. Er wandelt das Hörspiel ins MP3-Format um. Etwas umständlicher geht es auch mit einem alten Kassettenrekorder. Diesen könnt ihr, ebenso wie euren alten Walkman, der bei dem ein oder anderen vielleicht noch in einer vergessenen Ecke verstaubt, mit einem Cinch-Kabel über den Audio- oder Kopfhöreranschluss mit dem Line-In-Eingang der Soundkarte des PCs verbinden und die Aufnahme dann entweder komplett oder von der von euch gewünschten Stelle mit der kostenlosen Software Audacitiy digitaliseiren.

Über das Thema Datenschutz braucht ihr euch dabei übrigens nicht den Kopf zerbrechen. Das Erstellen einer Privatkopie ist nicht verboten. Nur kommerziell nutzen, sprich weiterverkaufen, darf man die digitalisierte Kopie natürlich nicht.

Hören ist Pflicht

Wer seine Kassetten so lang wie möglich erhalten möchte, muss vor allem eines tun: Sie hören. Denn die Gase des aus dem Bandmaterial austretenden Weichmachers führen sonst zum Verkleben benachbarter Wicklungen. Eine trockene Lagerung bei Zimmertemperatur und wenig Licht kann die Lebensdauer der Kassetten zusätzlich erhalten. Irgendwann hat der Weichmacher die Bandeigenschaften trotz allem so verändert, dass beim Abspielen der Kassette Schwierigkeiten auftreten.

Und noch ein Tipp: Gerissene Bänder auf keinen Fall mit herkömmlichem Klebeband flicken. Das Band ist zu dick, die Klebekraft zu gering. Daher einen besonders dünnen Klebefilm und eine sogenannte Klebeschiene verwenden. So bleibt das Band gerade zusammen und ihr habt noch lange Freude an den nostalgischen Schätzchen.