Lange Zeit hat Disney uns mit fantasievollen Geschichten und kreativen Einfällen verzaubert. Doch inzwischen kommt der Entertainment-Gigant mit einer Neuverfilmung nach der anderen daher. Das ist nicht nur langweilig, sondern unnötig. Warum es keine Disney Neuverfilmungen braucht.
Disney Neuverfilmungen: Es werden immer mehr
Seit ich ein Kind bin, habe ich mich jedes Jahr auf den neuen Disneyfilm gefreut. Als Kind der 80er bin ich in der goldenen Ära der Disneyfilme aufgewachsen: Arielle, Aladdin, Mulan, Der König der Löwen… schwärm!!! Eines meiner unvergesslichsten Kinoerlebnisse war, als wir gefühlte Ewigkeiten an einer endlos langen Schlange anstanden, um uns Die Schöne und das Biest anzusehen – und nicht mehr ins Kino reingekommen sind, weil der Andrang so groß war. Gerade mit Disneyfilmen verbinden sich viel Nostalgie und Kindheit, was es an sich schon schwer macht, nicht skeptisch auf die ganze Reihe von Disney Neuverfilmungen zu blicken, die da noch kommen sollen. Aber ich kann nicht sagen, ich hätte Disneys Realfilmwahn keine Chance gegeben. Doch manchmal ist es einfach besser, Altes einfach unangetastet zu lassen.
Disney Neuverfilmungen: ein lukratives Geschäft
Beginnend mit Maleficent im Jahr 2014 hat Disney es als lukrativ entdeckt, seine beliebten Zeichentrickfilme neu aufzulegen – als Remake im Gewand einer Real- oder sogenannten Live Action-Verfilmung. Inzwischen können wir uns auf eine ganze Welle von Neuverfilmungen gefasst machen, die in den folgenden Jahren auf uns zukommen, angefangen von Aladdin, Susi und Strolch, Arielle, Mulan, Lilo und Stitch, Taran und der Zauberkesse… also eigentlich alles. Originell, Disney, wirklich.
Die ersten Realverfilmungen hat es bereits in den 90ern gegeben. Das Dschungelbuch war 1994 die erste bereits als Zeichentrickfilm umgesetzte Geschichte, die ein reales Gewand erhielt. 1996 folgte 101 Dalmatiner (den ich damals vor allem wegen Glenn Closes Sturz in den Gülletopf wahnsinnig witzig fand), vier Jahre später wurde noch die Fortsetzung 102 Dalmatiner nachgeschoben. Auch wenn diese Fortsetzung schon nicht mehr so gelungen war, begann das eigentliche Dilemma 2010 mit Alice im Wunderland.
Ein misslungener 3D-Film
Tim Burtons Verfilmung von Alice im Wunderland knüpft nur lose an den Disneyfilm von 1951 an (der übrigens floppte und sogar von Walt Disney selbst verschmäht worden sein soll) und ist kein direktes Remake. Es war einer der ersten 3D-Filme – vielleicht habe ich ihn in so schlechter Erinnerung, weil die 3D-Technik nicht funktioniert und der Film einen totalen Gelbstich hatte. Als Tim Burton-Fan hatte ich mich auf ein neues filmisches Meisterwerk eingestellt, wurde aber enttäuscht, da trotz starker Bilder und Metaebenen irgendwie keine Magie übergesprungen ist.
Maleficent (2014) überzeugte ebenfalls mit gewaltiger Optik und einem interessanten Ansatz: der Neuinterpretation des Disney-Klassikers Dornröschen. Die Frage danach, wer denn nun eigentlich gut, wer böse ist, fand ich sehr gelungen. Auch wenn die Geschichte selbst etwas klischeehaft und vorhersehbar ist, war es für einen Disneyfilm ein neuer Ansatz, das Gute und Böse mal zu hinterfragen. Endgültig ausgestiegen bin ich bei der Cinderella-Realverfilmung von 2015. Kostüme und Ausstattung sind auch hier natürlich wieder gewaltig. Die Story dafür einfach nur katastrophal. Da bekommt Cinderella schon den Spitznamen Ella verpasst, um zu zeigen, „Hey, das hier ist ein modernes Aschenputtel“ und dann verhält sie sich unemanzipierter und duckmäuserischer als die Cinderella im Originalfilm von 1950 (die für ihre damalige Rolle übrigens durchaus recht rebellisch war). Und die Botschaft „Halte einfach alles aus und ertrage es“ ist doch genau die Botschaft, die man Mädchen nicht erst seit #metoo eben nicht mehr mitgeben sollte!
Disney Neuverfilmungen: Kalt und lieblos
Deutlich düsterer kommt das Remake vom Dschungelbuch daher. Dem Stoff seine Kindlichkeit zu nehmen und ihn in etwas dunklere Töne zu tauchen ist ein guter Ansatz, aber sorry, die Tiere… Ja, die technischen Möglichkeiten sind schon beeindruckend. Aber wie die Tiere ihre Lippen bewegen sieht einfach nur albern aus. Und noch schlimmer: Es fehlt das, was Disney ausmacht: das Herz. Technisch mag The Jungle Book ja brillant sein, dafür kommt er kalt und lieblos daher.
Gleiches gilt für die Realverfilmung von Die Schöne und das Biest, die meiner Meinung nach die bisher größter Katastrophe aller Disney Neuverfilmungen darstellt. Abgesehen davon, dass das Biest trotz allem Detailreichtum einfach nur albern aussieht, wurde dem Film komplett die Seele genommen. Gerade die Änderungen in der Handlung lassen ihn unrund wirken. Die Realverfilmung wirkt künstlich und unecht, es fehlt an Wärme. Und auch wenn (oder gerade weil?) wir von digitalen Effekten erschlagen werden, fehlt der Disney-Zauber. Immerhin hat Disney hier erstmals eine Rolle offen homosexuell angelegt – auch wenn der schwule Lefou sämtliche Schwulenklischees bedient.
Und weil Frauenbilder in Disneyfilmen so angeprangert werden (und dabei immer der zeitliche Kontext außer Acht gelassen wird): Wie modern ist es bitte, Belle als – holla, emanzipiert – Erfinderin darzustellen, sie aber dann – ups, doch nicht so modern- ausgerechnet eine Waschmaschine erfinden zu lassen??? Vielleicht lohnt es sich, mal einen Beitrag über die Frauenrollen in den Original- und Neuverfilmungen zu schreiben, um festzustellen, dass die Prinzessinnen von früher – wohlbemerkt immer vor dem Hintergrund des zeitgeschichtlichen Kontexts– ihrer Zeit weiter voraus waren als ihre angeblich so emanzipierten modernen Pendants.
Live-Action-Boykott
Ich muss an dieser Stelle gestehen, dass ich alle weiteren Neuverfilmungen boykottiert habe, ich aber durchaus bereit bin, vielleicht irgendwann einmal Mary Poppins 2 und Dumbo eine Chance zu geben. Denn Live-Action-Verfilmungen bieten durchaus die Chance, neue Perspektiven aufzuzeigen. Mulan beispielsweise kann ich mir als einen fantastischen Film vorstellen – wenn man die kindlichen Elemente (sorry, Mushu) entfernt und ihn erwachsen werden lässt.
Doch wenn ich mir die Trailer von Aladdin und Der König der Löwen ansehe – und damit ziehe ich mir jetzt wahrscheinlich vor allem in punkto König der Löwen viel Unmut zu – möchte ich einfach nur schreiend weglaufen. Der König der Löwen kommt, zumindest im Trailer, nicht nur Wort für Wort identisch daher, sondern wirkt genau wie Die Schöne und das Biest oder The Jungle Book leb- und seelenlos. Diese animierten Tiere sind nicht süß, nicht berührend, nicht sympathisch. Sie sehen einfach nur künstlich aus. Ihnen fehlt jener Zauber, den die Filme von früher hatten.
Was genau dieser Zauber ist? Diese besondere Mischung aus Märchen, Träumerei und bunter Fantasiewelt, in die wir uns einfach fallen lassen können und sicher wissen, dass alles ein gutes Ende nehmen wird, weil Werte wie Liebe, Freundschaft und der Glaube an sich selbst hier noch funktionieren. Die Disney-Welt ist unecht, keine Frage. Aber uns einfach mit digitalen Effekten zuzuballern, macht sie nicht lebendiger. Und was ich sowieso nicht verstehe: Warum muss ein Film neu erzählt werden, der doch schon gelungen ist? Neuverfilmungen sind schlichtweg überflüssig. Klar, es lässt sich damit viel Geld verdienen. Aber das nimmt Disney letztlich genau den Zauber alter Zeiten. Veraltetem Frauenbild zum Trotz: Ich bleibe der Cinderella von 1950 treu und boykottiere diesen Realfilmwahnsinn. Denn ich will mir den Disneyzauber erhalten.
Nachtrag: Ich hatte inzwischen beruflich die Möglichkeit, mir die Neuverfilmung von Disney’s Aladdin anzusehen. Eine ausführliche Rezension dazu könnt hier nachlesen: Der neue Aladdin Film: CGI at it’s best.