Kochen, backen und gärtnern sind in. Das Aufräumen erlebt dank Mari Kondo gerade einen Hype. Nur Putzen hat nach wie vor irgendwie ein schlechtes Image. Selbst der Frühjahrsputz ist heute nicht mehr selbstverständlich. Ich erzähle euch, warum der Frühjahrputz keineswegs eine verstaubte Tradition ist.
Rein das Herz und rein der Sinn. Ordnung draußen, Ordnung drin“ wusste schon ein Haushaltsbuch für die junge Hausfrau aus dem Jahr 1920. Doch die Tradition des Frühjahrsputzes ist noch viel älter und reicht zurück bis ins Alte Rom. Dort galt der Februar als Monat der Reinigung – „Februare“ bedeutet „reinigen“. Doch nicht nur die Alten Römer fegten den Winter mit einem Säuberungsritual aus dem Haus. In nördlichen Gegenden fand der jährliche Hausputz aufgrund der längeren Winter erst im März oder April statt, meist vor Ostern, wenn die Menschen auf den Höfen während der Fastenzeit genug Zeit hatten, ihre Häuser gründlich zu reinigen. Im Hochgebirge, wo noch im Frühsommer Schnee fallen kann, warteten die Menschen oft sogar bis in den Juni, ehe sie mit dem Großputz begannen. Dann aber ging es los mit dem Reinemachen und es wurde gewaschen, geputzt und gebohnert.
Frühjahrsputz: Ein mehrtägiges Prozedere
Während man das Putzen heute meist so schnell wie möglich hinter sich bringen will, dauerte das Prozedere des Frühjahrsputzes frühere mehrere Tage. Alle Familienmitglieder waren miteingespannt. Bei wohlhabenden Stadtmenschen oder Bauern musste auch das Gesinde mithelfen. Denn durch offenes Feuer oder später Kohle- und Holzöfen, mit denen die Menschen die Häuser beheizten, sammelte sich über den Winter eine Menge Schmutz an. Wo die Menschen täglich den Ofen befeuert, das Essen auf der offenen Herdstelle gekocht und kaum gelüftet hatten, um die Wärme in den Räumen zu halten, lagen Ruß und Staub millimeterdick auf Wänden, Böden und Möbeln. Asche setzte sich in jede noch so kleine Ritze des Hauses, Fettablagerungen hingen schwer an den Küchenschränken. Dieser Dreck ließ sich nicht mal eben wegwischen. Und so wurde der Frühjahrsputz zu einem traditionellen Akt.
Das Haus auf den Kopf stellen
Der Frühjahrsputz unterscheidet sich auch deshalb von der üblichen Putzroutine, weil er impliziert, dass sprichwörtlich das ganze Haus auf den Kopf gestellt wird. Und das haben die Menschen früher tatsächlich auch gemacht. Um den Schmutz der Wintermonate richtig beseitigen zu können, haben sie das gesamte Haus ausgeräumt. Dazu trugen sie zunächst die Möbel ins Freie. Tische, Stühle und Bänke aus Küche und Stube wurden nach draußen geschleppt, Truhen mit den wichtigsten Habseligkeiten und vielleicht der Schrank für das gute Geschirr geleert. Die Deckbetten wurden erstmals nach den langen Wintermonaten wieder gewaschen, im Freien getrocknet und aufgeschüttelt. Frauen klopften die Matratzen aus und die Männer besserten kleine Schäden am Haus aus. Da sich der ganze Hausstand auf dem Hof stapelte, konnte das Innere des Hauses gründlich gereinigt werden.
Zuerst fegte man Dielen und Wände mit einem Reisigbesen. Kehrspäne, an denen Ruß und Staub haften blieb, entfernten besonders hartnäckige Verschmutzungen. Anschließend wurden Böden und Wände geschrubbt. Dazu verwendete man ein Gemisch aus Holzasche und Fett, Scheuersand aus sehr feinem Flusssand oder Soda. Soda war ein sehr beliebtes, da erschwingliches Putzmittel. Die Frauen reinigten damit nicht nur Stuben und Möbel, sondern auch Bratpfannen, Töpfe, Essgeschirr und gusseiserne Gegenstände. Schlämmkreide, gemischt mit Wasser oder Zitrone, benutzten sie vor allem für Gegenstände aus weißer Emaille, denn die Kreide war ein natürliches Bleichmittel. Essig war ein gern genommenes Mittel zum Desinfizieren, Natron und Backpulver erwiesen gute Dienste bei der Reinigung von Gardinen. Und Salz half eigentlich immer, wenn es um die Entfernung von Flecken auf Polstermöbeln ging.
Ochsenblut zum Streichen
Der Frühjahrsputz beschränkte sich aber nicht nur aufs Putzen. Man besserte Decken, Holzbalken oder Dielen aus, verkalkte die Wände neu oder bestrich sie mit Leimfarbe. Zum Streichen wurde das aus der Schlachtung gewonnene Ochsenblut mit Sumpfkalk und Leinöl versetzt. Es färbte die Dielen leuchtend rot.
Der Frühjahrsputz war dabei keineswegs Frauensache. Männer und Kinder wirkten beim Großreinemachen ebenso mit. Überhaupt war der Frühjahrsputz bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts ein Ereignis, das das ganze Dorf betraf. Noch bis in die Fünfziger trafen die Hausfrauen jedes Frühjahr beim „Mobilen Reinigungsdienst“ zusammen, um dort die Federbetten säubern zu lassen.
Ein Symbol für den Neubeginn
Im Vergleich zu früher ist das Saubermachen heutzutage, glücklicherweise, deutlich schneller und einfacher erledigt. Dennoch hat sich der Brauch des Frühjahrsputzes bis heute erhalten und symbolisiert jedes Jahr einen kleinen Neubeginn, mit dem sich die Menschen vom Winter „reinigen“ und den Frühling willkommen heißen. Auch in anderen Ländern hat sich die Sitte erhalten.
So gibt es die Theorie, dass sich der traditionelle Frühjahrsputz auf das jüdische Pessachfest bezieht. Dieses findet im Frühling statt und gehört zu den wichtigsten Festen des Judentums. Es erinnert an den Auszug aus Ägypten (Exodus), also die Befreiung der Israeliten*innen aus der Sklaverei, und ist ein Familienfest. Es wird auch „Fest der ungesäuerten Brote“ genannt, weil es den Gläubigen verboten ist, gesäuerte Speisen, also alle Nahrungsmittel aus Weizen, Hafer, Roggen, Gerste oder Dinkel zu verzehren. Damit sich keines dieser Getreide in das Essen verirren konnte, wurde zu Beginn des Festes das Haus komplett auf den Kopf gestellt und geputzt.
Auch gibt es biologische und psychologische Erklärungsansätze: Biologen*innen vermuten, dass im Frühjahr bei vielen Menschen der Tatendran erwacht, verknüpft mit einer Art Nestbautrieb. Man hat das Bedürfnis, wieder Ordnung und Sauberkeit in sein Heim zu bringen. Einige Psychologen*innen werten den Frühjahrsputz als positives Ereignis für die Psyche: Man ist körperlich aktiv und erzielt ein sichtbares, verbessertes Ergebnis.
Putzen hat ein schlechtes Image
Während viele Hausarbeiten dank hipper Fernsehshows inzwischen voll im Trend liegen, hat Putzen an sich nach wie vor eher ein schlechtes Image. Das hat zum einen historische Ursachen: Wer putzte, war von niedrigem sozialen Stand, beispielsweise die Scheuermagd oder andere Hausangestellte. In Märchen wie „Aschenputtel“, „Allerleihrauh“ oder „König Drosselbart“ ist die Fallhöhe der Prinzessinnen deshalb so hoch, weil sie – sei es durch den Neid ihrer bösen Stiefmütter oder der eigenen Arroganz – zu einem Dasein als Dienstmagd verdammt werden. Und Putzfrauen gehören noch heute zum eher weniger angesehenen Teil der Gesellschaft (obwohl sie doch so wichtige Arbeit leisten!).
Darüber hinaus begründet sich das schlechte Image des Putzens in der Emanzipation. Putzen gehörte früher (und auch heute noch allzu oft) zum klassischen Frauenbild: Viel mehr als putzen und den Haushalt in Stand halten, hatte eine Frau nicht zu tun. Schaut euch beispielsweise mal die frühen Disneyfilme an: Die ersten Disneyprinzessinnen Schneewittchen, Cinderella und Aurora haben, gemäß dem Rollenbild ihrer Zeit, in ihren Filmen nicht viel mehr zu tun als zu putzen. (Mehr zum Thema „Das Frauenbild in Disneyfilmen“ findet ihr übrigens in diesem Beitrag von mir: Disney Prinzessin: Rollenbild im Wandel.) In den 60er Jahren bekamen junge Frauen Kochbücher geschenkt, die Tipps zur „Wohnung und ihrer Erhaltung“ enthielten. Die bibeldicken Werke priesen Geräte wie Handmob und Heizungsbesen und propagierten Weisheiten wie: „Eine der wichtigsten Aufgaben der Hausfrau ist es, das Heim so zu gestalten, dass alle Familienmitglieder sich dort am wohlsten fühlen.“
Frühjahrsputz: Nicht mehr zeitgemäß?
Abgesehen davon, dass putzen längst nicht mehr als typisch weibliche Tätigkeit begriffen werden darf, lässt sich natürlich argumentieren, dass ein Frühjahrsputz heute nicht mehr nötig ist. Und natürlich: Wer seinen Hausstand kontinuierlich in Schuss hält, muss aus dem Aufräumen keinen Staatsakt machen. Doch selbst wer regelmäßig putzt und Ordnung hält: Es gibt immer Ecken, die ausgelassen, immer Kartons, die einfach in den Keller gestellt werden. Und nicht jeder mistet regelmäßig aus, sodass es nicht schaden kann, wenigstens einmal im Jahr eine Bestandaufnahme zu machen und sich von unnötigem Ballast zu befreien.
Auch die Wohnung hat Jahreszeiten
Unabhängig davon hat auch unsere Wohnung Jahreszeiten. Die Winterdeko kommt zurück in die Kisten, denn es wird Zeit für die Frühjahrs- und Osterdeko. Damit einhergehend bietet sich direkt eine Bestandsaufnahme an: Was brauche ich noch? Was bleibt auch dieses Jahr wieder in der Kiste?
Kissenbezüge, Plaids und Decken werden gegen leichtere Stoffe und frühlingshafte Farben getauscht, gewaschen und das Sofapolster abgesaugt. Gleiches gilt für den Kleiderschrank: Wintermäntel sollten gereinigt und die Wintergarderobe im Schrank verstaut werden. Auch hier empfiehlt es sich, direkt zu hinterfragen „Was habe ich schon länger nicht getragen?“ und auszusortieren.
Tipp: Lavendelsäckchen oder parfümierte Seifen sorgen für Frischeduft im Kleiderschrank (und erinnern außerdem herrlich an die eigene Kindheit, oder?). Weitere Dinge, die ihr beim Frühjahrsputz angehen solltest:
- Beautyprodukte sortieren, abgelaufene Schminke oder Shampoos aussortieren.
- Kühlschrank und Tiefkühltruhe abtauen und mit einer Wasser-Essig-Mischung reinigen.
- Waschmaschine und Spülmaschine säubern.
- Kissen, Matratzenauflagen, Plaids und Bezüge waschen und Bettdecken auslüften.
- Schränke und Schubladen ausräumen, um zu sehen, was sich da so alles angesammelt hat.
- Wie früher gilt: Erst entrümpeln, dann putzen.
Umfüllen und Platz sparen
Und wenn wir eh gerade beim Putzen und Ausmisten ist, bietet es sich an, Platz zu schaffen. Und das heißt: Rationalisieren. Vor allem in Küche und Vorratsschränken sammelt sich viel Kram an, der mit umsichtiger Lagerung viel platzsparender untergebracht werden kann. Gewürze können beispielsweise in Gläser umgefüllt werden. Das gilt auch für häufig benutzte Lebensmittel wie etwa Müsli und Cornflakes, Mehl, Zucker und Nudeln. Nutzt hier Vorratsgläser. Die sind optisch ansprechend und lassen sich ebentuell sogar in deine Deko integrieren, bieten aber vor allem übersichtlichen Stauraum. Beschriftet und in einheitlichen Größen spart ihr Platz und findet garantiert alles schnell wieder.
Im Endeffekt sorgt das nicht nur für ein gutes Gefühl. Ein organiseirter Haushalt spart auch Geld, weil keine unnötigen Vorräte angeschafft werdne und viel zielgerichtet eingekauft werden kann. Du siehst direkt, wie viel noch in den Gläasern drin ist und läufst nicht Gefahr, dass irgendeine Packung ungesehehn in irgendeiner Ecke vergessen wird.
Frühjahrsputz: Wellnessbehandlung fürs Heim
Ich bin in Sachen Ordnung sehr akribisch. Ich miste regelmäßig und radikal aus und habe es mir zum Ritual gemacht, bei jeder Umdekorieraktion neu zu sortieren und mich auch mal von dem hundertzwanzigsten Teelichtglas, das ich dann eventuell doch nicht mehr nutze, zu trennen. Dennoch halte ich den Frühjahrsputz für eine schöne und sinnvolle Tradition, um den berühmten frischen Wind durch die eigenen vier Wände ziehen zu lassen.
Je nach Putz- und Ordnungsgewohnheiten muss die Putz- und Aufräumaktion ja nicht ausufern. Ich sehe den Frühjahrsputz eher als eine Art Wellness-Behandlung für das eigene Heim. Mit einem schönen Zuhause tun wir ja vor allem uns selbst etwas Gutes. Aus dieser Perspektive geht das Putzen dann doch leichter von der Hand. Und wer am Abend in seiner glänzenden Wohnung sitzt, wird feststellen, dass die Alten Römer schon wussten, was sie taten. Denn die Reinigung des eigenen zu Hauses hat auch auf uns eine reinigende Wirkung.