Kultspielzeug der 90er und inzwischen absolut vintage: Vom Ende der 80er bis in die späten 90er Jahre hinein öffneten uns kleine, bunte Plastikdosen die Tür in die ebenso fantasie- wie liebevoll gestaltete Miniaturwelt von Polly Pocket. Während des Lockdowns im vergangenen Jahr habe ich mein einstiges Lieblingsspielzeug wiederentdeckt – und mit ihm eine neue alte Sammelleidenschaft.
Polly Pocket: geliebtes 90er Jahre Spielzeug
Wir Kinder aus den 90ern, was hatten wir doch tolles Spielzeug: die niedlichen Tiere von “Meine kleine Tierwelt” zum Beispiel, die alle ein kleines Kunststück beherrschten. (Ihr wisst schon: “Meine kleine Tierwelt, die macht Spaß, denn alle Tierchen können was…”) Oder die duftenden Cupcake Dolls mit ihren Rüschenröcken und den großen Hüten. Und nicht zu vergessen die Keypers, in denen wir unsere kleinen Geheimnisse und Schätze verstecken konnten.
Zugegeben: Die Erinnerung an unsere liebsten Spielzeuge kann schon einen richtigen Nostalgieflash auslösen und etwas wehmütig machen. Und wahrscheinlich sagt wohl fast jede Generation über ihre Kindheit: Wir hatten das beste Spielzeug. Klar, schließlich sind wir damit groß geworden, verbinden Erinnerungen und Erlebnisse damit und denken hoffentlich an eine Zeit der Unbeschwertheit und Geborgenheit zurück, in der das Leben noch einfach war und zum Großteil aus Spielen bestand.
Das Spielzeug der 90er: irgendwie besonders
Dennoch war das Spielzeug der 90er etwas Besonderes. Denn die 90er Jahre sind das letzte Jahrzehnt vor der großen Digitalisierungs- und Technologiesierungswelle, als es noch kein Internet gab und man einfach ganz analog gespielt hat, ohne Handynutzung oder neustes YouTube-Video. Als wir den ganzen Tag draußen waren und uns auch ohne Hinterhertelefonieren klar war, dass wir eben wie vereinbart um 18 Uhr zuhause sein müssen. Als eine Barbie, die Seifenblasen aus ihrer Krone pusten konnte, noch für Begeisterung sorgte. Und als Game Boy, Traumtelefon und Walkie Talkie uns mit ihrer technischen Finesse beeindruckten.
Heutzutage wirkt das natürlich alles zum Schmunzeln altmodisch. Und doch: Gerade weil vieles sich so schnell weiterentwickelt und technologisiert hat, hat die Einfachheit der damaligen Spielzeuge bis heute einen besonderen Charme. Mehr noch: Wo Kinder heute mit einer App aus dem Play Store zu beglücken sind oder ganz selbstverständlich die neuste Spielekonsole auf den Wunschzettel schreiben, haben wir unsere bunte Kinderwelt in der realen Welt erschaffen (vorausgesetzt unser Tamagotchi hat nicht wieder nach unserer Aufmerksamkeit gepiept).
Das ist weder besser noch schlechter. Es ist einfach nur ein anderes Spielen in den letzten Jahren, bevor die Technik unseren Alltag komplett verändert hat. Vielleicht steckt in der Retrowelle, die auch die Spielzeuge der 80er und 90er wieder populär gemacht hat, eine gewisse Sehnsucht nach dieser fast schon naiven Einfachheit: Die Technik war cool, aber simpel, die Spielsachen bunt bis schrill und unser Leben als Kind war eben auch einfach und unkompliziert.
Der Retro-Trend wiederholt sich immer wieder
Die Rückbesinnung auf das Früher, das Hypen des Vergangenen, ist ein sich stetig wiederholendes Phänomen. Die Damenmode der 50er Jahre beispielsweise ist nichts anderes als eine Anlehnung an die üppigen Ballkleider des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Nachdem zwei Weltkriege den Glauben an die neue Zeit erschüttert hatten, fand eine Verklärung der Monarchie statt, die unter anderem in den ausladenden Petticoats ihren Ausdruck fand.
In den 70er Jahren wiederum erlebte die Rockabilly-Mode der 50er ihr Revival. Und momentan werden modisch die 80er und 90er Jahre zitiert. Diese stilistischen Rückgriffe auf frühere Genres und Epochen finden sich nicht nur in der Mode, sondern auch in vielen anderen Bereichen, etwa der Kunst oder der Literatur. So war beispielsweise die Weimarer Klassik (1786 bis 1831), in der unter anderem Goethe und Schiller die Hochzeit ihres Schaffens erlebten, eine Rückbesinnung auf die Antike, angetrieben durch die von Gewalt geprägte Herrschaft der Jakobiner in Frankreich (1793 – 1794), die auch in Deutschland die Ideen der Aufklärung enttäuscht hatte.
Retromania: eine Abkehr von der Moderne?
Seit den 1970er Jahren wird der Retro-Trend als Indiz für die These der anbrechenden Postmoderne und als Abkehr und Kritik am Fortschrittsglauben der Moderne gewertet. Der Rückgriff auf die Vergangenheit wird oft als Gegenpol zur heutigen Zeit gesehen: In einer Welt, die sich so schnell ändert, in der Orientierung und Bezugspunkte – und in Zeiten von immer schneller voranschreitender Digitalisierung und Klimawandel auch klare Zukunftsvisionen – fehlen, bieten Retro- oder auch Vintagetendenzen Halt und Sicherheit.
Vielleicht bedient der Retro-Trend aber auch nur die Sehnsucht nach heimeliger Geborgenheit. Oder: Er macht einfach nur Spaß. Und glücklich. Wahrscheinlich ist jede dieser Theorien richtig. Als ich im vergangenen Jahr während des Lockdowns meine Liebe zu Polly Pocket wiederentdeckt habe, waren wir gerade mitten in der Corona-Krise, mein Leben lief nicht mehr in den gewohnten Bahnen und angesichts der Überforderung von Menschen und Politik mit der Pandemie, aber auch mit der Entschleunigung und dem Suchen und Entdecken neuer Beschäftigungsfelder, schwelgte ich vermehrt in Erinnerungen an meine Kindheit. Und irgendwie traf ich da wieder auf sie: Polly Pocket.
Polly Pocket: mein Lieblingsspielzeug
Als Kind habe ich Polly Pocket geliebt. Sie gehörte zu meinen absoluten Lieblingsspielzeugen und ich hatte eine große Kiste voll mit diesen kleinen bunten und detailverliebten Schatullen. In meiner Rekonstruktion komme ich auf über 40 Polly Pockets, die ich definitiv hatte. Und plötzlich ärgerte ich mich, dass ich nicht eines davon mehr besaß.
Das Besondere an Polly Pocket war das Gesamtkonzept. Ein kleines Püppchen lebt mit ihren Freunden und Freundinnen in einer Welt, so klein, dass sie in eine knapp zehn Zentimeter große Plastikdose passt. Das Innere der Dose ist als Gebäude gestaltet, in dem Polly und ihre Freunde*innen leben, arbeiten, reisen und das Leben genießen. Mal geht sie ins Restaurant, mal hütet sie ihre Haustiere und mal flattert sie durch ein glitzerndes Feenreich. Die Figuren bestanden aus zwei Teilen, die mit einem Scharnier verbunden waren. So waren sie beweglich und konnten sich bücken oder hinsetzen. Körper und Gesichter waren einfach gestaltet, aber liebevoll. Die Tiere waren einteilig und unbeweglich.
Es begann mit einer Puderdose
Zurück geht Polly Pocket auf die Idee des britischen Designers Chris Wiggs. Dieser fügte einer alten Puderdose ein Haus für kleine Figuren hinzu und schenkte sie seiner Tochter. Die Firma Bluebird erwarb dieses Konzept und brachte 1989 das erste Polly Pocket, Polly’s Beachhouse, heraus. In den Folgejahren erschienen größere und kleinere Dosen sowie Schmuckkästen, Buntstift- und Stempelkästen, Armbänder, Ringe und anderer Schmuck.
Damit einhergehend wurden die Dosen zusehends raffinierter. Waren anfangs bestenfalls die Türen am Gebäude beweglich, gab es bald immer mehr bewegliche Teile und sogar Beleuchtung. 1998 kaufte die US-amerikanische Firma Matell dann die Marke Bluebird – und damit starb Polly kleine Welt aus. Bereits 1999, ein Jahr nach der Übernahme, begann Mattel die Figuren zu verändern und zu vergrößern. Seit 2002 hat Polly als acht Zentimeter große Puppe aus Weichplastik nichts mehr mit der eigentlichen Reihe gemein.
Polly Pocket 90er: hoher Sammlerwert
Inzwischen lebt Polly Pocket zwar wieder in kleinen Plastikdosen. Die Polly von früher ist sie aber nicht mehr. Auch deswegen sind Polly Pockets, die vor 1998 hergestellt wurden, heutzutage richtig viel Geld wert. Bereits in den 90ern war Polly Pocket ein Sammlerobjekt. Durch die Übernahme sowie die Einstellung der ursprünglichen Reihe steigerte sich der Wert der zuklappbaren Mikro-Puppenhäuser nochmals erheblich.
Neben ihrem Alter, dem Nostalgiefaktor und der Tatsache, dass es die Polly von früher eben nicht mehr gibt, wirkt sich noch ein weiterer Aspekt wertsteigernd aus: Die Figuren sind klein und anfällig dafür, nicht nur kaputt, sondern ganz verloren zu gehen. Vollständige Sets können daher richtig Geld bringen. Ist die Dose selten und in einem sehr guten Zustand sind Preise über 100 Euro möglich. Noch größer ist der Markt in den USA und Australien. Hier kann das Vintage-Spielzeug über 1.00 Dollar einbringen – originalverpackt noch ein Vielfaches mehr.
Kindheit bewahren
Die Entscheidung, mein erstes Polly Pocket zu kaufen (übrigens für 29 Euro, nicht für 100 😀), geschah nicht aus einem Impuls heraus. Ich habe tatsächliche einige Tage darüber nachgedacht, ob ich ernsthaft Geld für ein Kinderspielzeug ausgeben sollte, noch dazu eines, das ich früher schon einmal hatte und dann weggegeben habe.
Warum ich mich dann doch dazu entschieden habe, mit dem Sammeln anzufangen: Es gibt mir ein Stück einer glücklichen und unbeschwerten Zeit in meinem Leben zurück. Und es macht mich glücklich. Und ich finde, einen besseren Grund, als dass einem etwas guttut, braucht es nicht.