Es gibt Bücher, die vergisst man nicht. Welche Bücher mich schon als Kind begeistert haben und sich wirklich zu lesen lohnen, erfahrt ihr in diesem Beitrag über Bücher von früher.
Es gibt wohl kein Medium, das besser dazu geeignet ist, uns ins Früher zu entführen als ein Buch. Ja, Serien oder Filme haben einen hohen Schauwert, Social Media kann uns inspirieren. Aber unsere Fantasie beflügeln und uns in vergangene Zeiten eintauchen lassen, kann nichts besser als ein gutes Buch. Ein Buch, dass uns abtauchen lässt aus unserem Alltag, ein Buch, das uns vergessen lässt, wie spät es gerade ist oder was wir noch alles zu erledigen haben. Ein Buch, dass uns verzaubert und innehalten lässt in einer schnelllebigen und oft oberflächlichen Welt.
Bücher, die im Früher spielen, entfalten da eine ganz besondere Magie. Sie machen eine Zeit lebendig, die wir bestenfalls aus Erzählungen, dem Geschichtsunterricht oder eben aus Büchern kennen. Sie ermöglichen uns, dem Gestern so nahe zu kommen wie nirgends sonst. Und selbst, wenn sie nur fiktiv sind, öffnen sie uns ein Tor in die Vergangenheit, lassen uns erleben, was lange vorbei ist und uns lernen, das eigene Leben aus anderen Perspektiven zu betrachten. Ich möchte euch vier Bücher vorstellen, die all das auf ganz besondere Weise tun und mich bereits seit meinem Früher, nämlich meiner Kindheit, begleiten und immer wieder zum Träumen und Nachdenken bringen.
Little Women
Die Neuverfilmung von Little Women hat gezeigt: Die Geschichte von Louisa May Alcott aus dem Jahr 1868 ist zeitlos und noch immer aktuell. Sie spielt in den 1840er und 1850er Jahren in Neuengland und erzählt die Lebensgeschichte der vier Schwestern Meg, Jo, Beth und Amy. Die könnten unterschiedlicher nicht sein: Meg ist hübsch und fügsam und liebt schöne und teure Dinge. Jo legt darauf überhaupt keinen Wert. Wild und ungestüm weigert sie sich, zu tun, was von ihr erwartet wird und schreibt als begabte Autorin ihre eigenen Geschichten. Beth ist die gute Seele der Familie March: musisch, hilfsbereit und großherzig aber auch sehr menschenscheu und schüchtern. Nesthäkchen Amy ist eitel und hochnäsig, oft egoistisch und nicht weniger temperamentvoll als Jo, mit der sie teils heftige Streitigkeiten austrägt.
Während der Vater im Krieg ist, müssen die Mädchen lernen, ihre eigenen Bedürfnisse zurückzustellen, was Auswirkungen auf ihre Charakterentwicklung hat und ihre Lebensträume in Frage stellt.
Was die vier Schwestern zu einer so zeitlosen Geschichte macht, ist zum einen, dass jeder sich in mindestens einer der Schwestern wiederfinden kann. Sie bieten ein hohes Identifikationspotenzial, weil sie nicht nur Typen sind, sondern lebendige Charaktere, die scheitern, weinen und auch mal dumme Entscheidungen treffen dürfen. Zum anderen ist Little Women eben eine Geschichte über Frauen: Es geht um Selbstverwirklichung und darum, seinen Platz in der Welt zu finden. Das macht die Geschichte auf ewig zeitlos.
Little Women besteht aus zwei Teilen, Little Women und Good Wives, und wurde um Little Men und Jo’s Boys ergänzt. Die Reihe gehört zu den erfolgreichsten Jugendbüchern der englischsprachigen Literatur. Die Bücher wurden in 27 Sprachen übersetzt und bis heute ununterbrochen neu aufgelegt. Bereits kurz nach Veröffentlichung war Little Women ein großer Erfolg für die Autorin. Das liegt auch daran, dass das Buch die erste Literatur für heranwachsende Mädchen war. Auf der einen Seite spiegelt sich in ihm mit der Glorifizierung des Familienlebens und typisch weiblichen Wünschen wie dem nach einem Ehemann der damalige Zeitgeist sowie das Frauenbild wider. Zum anderen haben die Mädchen aber eine eigene Persönlichkeit mit liberalem Denken und dem Wunsch nach Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung. In Jo’s Boys vertritt Alcott sogar eine für die damalige Zeit sehr ungewöhnlich Ansicht: Frauen müssen nicht zwangsläufig heiraten, sondern können durch Berufstätigkeit auch selbst für sich sorgen.
Neben der aktuellen Verfilmung mit Saoirse Ronan in der Rolle der Jo March gibt es zahlreiche weitere Verfilmungen des Stoffes. Eine erste Verfilmung aus dem Jahr 1917 gilt leider als verschollen. 1933 entstand ein Kinofilm mit Katherine Hepburn und Joan Bennett. Im Jahr 1949 waren Janet Leigh, Elizabeth Taylor und June Allyson als Meg, Amy und Jo in Tapfere kleine Jo zu sehen. 1978 gab es eine zweiteilige US-Fernsehversion. 1994 wurde der Stoff mit Winona Ryder verfilmt. Somit hat jede Generation ihre eigene Version der vier Schwestern. Allein das zeigt, wie viel Relevanz die Geschichte um die vier mutigen March-Schwestern noch heute hat. Warum Little Women bei uns Betty und ihre Schwestern heißt, obwohl es eigentlich gar keine Schwester mit dem Namen Betty gibt, habe ich übrigens noch nicht herausgefunden.
Anne auf Green Gables
Wenn wir über mutige und nach Unabhängigkeit strebende Mädchen und Frauen sprechen, darf sie nicht fehlen: Anne auf Green Gables. Das Kinderbuch der kanadischen Autorin Lucy Maud Montgomery erschien 1908 und hat eine ganz ungewöhnliche Protagonistin. Denn Anne Shirley verkörpert so ziemlich alles, was Mädchen damals nicht sein sollten: Sie ist Waise, rothaarig, redselig, temperament- und fantasievoll, macht sich ihre eigenen Gedanken und bildet sich ihre Meinung, unabhängig davon, was andere denken.
Durch eine Verwechslung gelangt das Waisenmädchen auf den Hof des wortkargen Junggesellen Matthew Cuthbert und seiner spröden Schwester Marilla. Obwohl sie eigentlich einen Jungen wollten, nehmen sie Anne auf und begeben sich damit auf ein großes Abenteuer. Während Anne Leben in ihren eingefahrenen Alltag bringt, lernt Anne, ihre außergewöhnliche Vorstellungskraft konstruktiv einzusetzen und entwickelt sich zu einer intelligenten und unabhängigen Frau.
Annes Geschichte war Inspiration für ein anders rothaariges und unabhängiges Mädchen: Pippi Langstrumpf von Astrid Lindgren. Annes Charakter ist es, der die Geschichte so besonders macht. Denn Anne beweist, dass man zu seiner Meinung stehen kann, was Fantasie alles bewirken kann und dass man nicht der Norm entsprechen muss.
Prinzessin Sara
Prinzessin Sara oder Sara, die kleine Prinzessin ist ein Kinderbuch von Frances Hodgson Burnett, die unter anderem auch Der kleine Lord geschrieben hat. Nach einer Veröffentlichung in einer Jugendzeitschrift 1888 und einem Theaterstück 1903 setzte sie die Geschichte um Sara Crewe 1905 als Roman um.
Sara Crewe ist Halbwaise und stammt aus gutem Haus. Sie ist wohlhabend und überall beliebt, so auch in dem Internat in London, das sie besuchen soll, während ihr Vater in Indien ist. Sie schließt schnell Freundschaften, auch mit jenen, die vom Rang her unter ihr stehen, etwa dem Dienstmädchen Becky. Als ihr Vater plötzlich stirbt und sie selbst verarmt, muss sie lernen, dass andere Menschen sehr wohl zwischen Arm und Reich unterscheiden. Aus Prinzessin Sara wird nun selbst ein Dienstmädchen, das Luxus und Tanzunterricht gegen schwere Arbeit und eine ärmliche Kammer unterm Dach eintauschen muss.
Prinzessin Sara ist eine zauberhafte Geschichte über Freundschaft und die Kraft der Fantasie und zeigt, dass nicht Geld oder Ansehen definiert, wer eine wahre Prinzessin ist, sondern einzig ein gutes Herz.
Der geheime Garten
Und noch einmal Frances Hudgson Burnett. Sie hat nicht nur die zauberhaften Geschichten über Prinzessin Sara und den kleinen Lord geschrieben, sondern mit Der geheime Garten einen weiteren zeitlosen Klassiker geschaffen. 1911 erschienen, erzählt das Buch eine Geschichte über Heilung, Freundschaft und die Kraft der Natur: Als die Eltern der verwöhnten und griesgrämigen Mary Lennox sterben, muss diese ihre Heimat in Kolonialindien verlassen und auf Misselthwaite, dem düsteren Anwesen ihres Onkels leben. Da das Haus groß, dunkel und voller verschlossener Türen ist, beschließt Mary draußen zu spielen. Das verändert sie, einmal mehr, als sie den Schlüssel zu einem geheimen Garten entdeckt. Nach und nach kommt sie nicht nur dem Geheimnis des Gartens, sondern auch dem Geheimnis in den dunklen Zimmern von Misselthwaite auf die Spur.
Marys Wandlung zu einem freundlichen und hilfsbereiten Mädchen verläuft parallel mit dem Erblühen des geheimen Gartens. Er ist nicht nur das Symbol für Marys Charakter, sondern erinnert auch daran, welche Kraft und Magie in der Natur liegen. Es ist eine wunderschöne Geschichte zum Träumen und Weinen und vermittelt zeitlose Werte im Kostüm vergangener Zeiten. Viel Spaß beim Lesen!